Leseprobe
Famke fuhr mit einem leisen Schrei auf den Lippen aus dem Schlaf und starrte erschrocken in die Dunkelheit, bis ihr bewusst wurde, wo sie war.
Sie hatte nur geträumt.
Wieder einmal.
Sie seufzte tief und ließ sich zurück in die Kissen sinken. Es war noch dunkel, aber das Mondlicht zeichnete feine Streifen auf den Teppich, wo es sich durch die Spalten in der Jalousie zwängen konnte.
Seit ein paar Tagen hatte sie immer wieder diese äußerst verstörenden Träume, die an Intensität zuzunehmen schie-nen. Bisher hatte sie das ganz gut weggesteckt, aber ihre Ins-tinkte sagen ihr, dass es hier um mehr als nur seltsame Träume ging.
Sie würde mit Jeff reden müssen.
Jeff Conners war Hexenmeister und leitete die Hexen-schule in Briarcliff Manor, New York. Famke Garrels war vor gut einem Jahr zu ihm gekommen, um sich weiter aus-bilden zu lassen, nachdem sie in ihrer Heimat Norden erste Erfahrungen mit Magie und der dunklen Seite der Welt hatte machen dürfen. Oder müssen, je nachdem, wie sie es gerade auslegte.
Famke hatte in der Schule vieles hinter sich lassen kön-nen, aber auch hier war sie offenbar nicht ganz gefeit gegen Einflüsse von außen.
„Jeff, ich muss mit Ihnen reden.“ Sie suchte ihn in sei-nem Büro auf, als der Unterricht bereits begonnen hatte. Dies war die günstigste Zeit, um ungestört mit ihm reden zu können.
„Was kann ich für dich tun, Famke?“ Der Amerikaner tat sich auch nach all der Zeit immer noch schwer, ihren Namen korrekt auszusprechen, aber sie hatte es längst aufgegeben, ihn zu verbessern.
Jeff mochte ein guter Hexenmeister sein, ansonsten war er allerdings eher ein Chaot. Sein Büro war ein Schlachtfeld und er vergaß beinahe alles, was er sich nicht in einem dicken Notizbuch aufschrieb.
„Ich glaube, ich habe eine Art Vision“, begann sie und ließ sich auf einem der bequemen Stühle vor Jeffs Schreib-tisch nieder. „Wiederkehrende Träume voller symbolhafter Bilder. Beängstigend.“ Sie schüttelte sich, als sie eine Gänse-haut bekam.
„Was genau träumst du?“ Auf einmal waren Jeffs Augen hellwach, voller Aufmerksamkeit, alle Zerstreutheit war ver-flogen. Er setzte seine Lesebrille auf die Nasenspitze und griff sich einen Stift.
„Ich träume von Feuer“, begann Famke zögernd. Sie wollte die Bilder eigentlich nicht vor ihrem geistigen Auge beschwören, aber ihr blieb kaum etwas anderes übrig. „Flammenschwerter, wie Engel sie haben. Ich sehe gewaltige
Schwingen, weiß und machtvoll. Ich kann sie rauschen hö-ren. Ebenso wie das Klicken und Keckern von Dämonen.“ Sie schüttelte sich erneut. „Am schlimmsten ist aber die Angst, die ich empfinde. Es ist Todesangst. Eine so tief grei-fende Urangst, dass ich jedes Mal mit klopfendem Herzen voller Panik aus dem Schlaf schrecke.“ …